Diesen Kupferstich „Berlins Menschenliebe kommt Ruppin in der Asche liegend zu Hülfe“ von Daniel Chodowiecki (1726-1801) aus dem Jahre 1787 hielt Fontane ebenfalls in einem Notizbuch fest. Für die spätere Bildbeschreibung fertigte er sogar eine Zeichnung an. Das Motiv thematisiert die Großzügigkeit von König Friedrich Wilhelm II., der nach einem verheerenden Stadtbrand den Wiederaufbau Neuruppins als Planstadt ermöglichte. In den Wanderungen durch die Mark Brandenburg finden wir dann eine treffende Bildbeschreibung und die Geschichte des Kupferstiches.
Zu sehen gewesen in der Ausstellung fontane.200/Autor in Neuruppin.
Zu sehen gewesen in der Ausstellung fontane.200/Brandenburg - Bilder und Geschichten in Potsdam.
Theodor Fontane: Über den Kupferstich „Berlins Menschenliebe kommt Ruppin in der Asche liegend zu Hülfe“ von Daniel Chodowiecki
Aus: Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1861-1892)
Theodor Fontane: Über den Kupferstich „Berlins Menschenliebe kommt Ruppin in der Asche liegend zu Hülfe“ von Daniel Chodowiecki
Eigentümlich wie diese Unterschrift ist das ganze Blatt. Die abgebrannte Ruppina liegt am Boden, der extravaganten Fülle ihrer Formen nach so unterstützungsbedürftig wie nur möglich. Nichtsdestoweniger erscheint Berolina, angetan mit Lorbeer und Mauerkrone, um der wohlkonservierten, aber nackten Schwester ihr Gabenfüllhorn entgegenzutragen. Es scheint jedoch, daß jene (Berolina) beim Anblick der Schwester wieder schwankt und erst auf das Erscheinen der Menschenliebe wartet, die denn auch schließlich, halb zuredend, halb tatsächlich drängend, die Zögernde weiter vorwärts schiebt. Diese drei Figuren bilden die eine Gruppe, neben welche sich, gut miteinander verbunden, eine zweite Gruppe stellt. Die zwischen Wolken ruhende Hoffnung (in Wahrheit eine Pompadour, die sich auf Polstern streckt) zeigt auf die Portraitbüste Friedrich Wilhelms II., Palmen wachsen rätselhaft dazwischen, und zu Häupten schweben Engel, die, jeder Askese los und ledig, in nächster verwandtschaftlicher Beziehung zu Amor und Amoretten stehen.
Ein wunderliches Blatt: sinnreich, amüsant und von guter Technik, vor allem auch (was ich nicht gering anschlage) kühn und naiv zugleich. Im ganzen aber, trotz dieser und anderer Vorzüge, wenig erquicklich, mehr Karikatur als Kunst und interessant allein in seiner Verschmelzung von Genie und Philistrosität, von künstlerischer Freiheit und politischer Befangenheit.
Chodowiecki gilt als ein Meister ersten Ranges, und das Rokoko, das er vertritt, tritt eben jetzt wieder in die Mode. Gut; ich unterwerfe mich den Tatsachen, den Konsequenzen einer natürlichen Entwicklung. Und doch wär es hart, wenn es hundert Jahre nach Schinkel wieder dahin käme, daß die Berolina (die »Menschenliebe« wie eine Stoßlokomotive hinter sich) der nackt in Asche liegenden Ruppina das Füllhorn ihrer Gnaden in Gestalt einer Pfefferkuchentüte darbringen und dabei der künstlerischen Zustimmung des Zeitalters sicher sein dürfte.